Mit wenig Mitteln viel ausrichten - Ein Portrait der Irischen Marine

Wenn man an Irland denkt, dann kommen einem alle möglichen Bilder in den Sinn, von grünen Hügeln, Kirchen, Guinness, oder eventuell auch Bilder von Unruhen im Norden der Insel. Ein Bild wird aber mit Sicherheit nicht dazugehören: Das einer Irischen Marinekampfgruppe auf dem Weg in den Kampf. Das ist auch nicht wirklich weiter verwunderlich, immerhin wurde das Verteidigungsressort, ebenso wie Infrastruktur oder Innere Sicherheit lange Zeit von verschiedenen Regierungen mehr als stiefmütterlich behandelt. Und doch sind seit Monaten Irische Kriegsschiffe vorne mit dabei bei der, übrigens absolut richtigen, Operation der EU im Mittelmeer. Mit Schiffen, die oftmals nur halb so groß sind wie die der anderen EU-Staaten holen die Männer und Frauen des Irish Naval Service oftmals die gleiche Menge an Flüchtlingen an Bord. Ohne mit der Wimper zu zucken. Das es in letzter Zeit auch im deutschsprachigen Raum einiges an Interesse an diesen Operationen gibt, habe ich nicht zuletzt an den Suchbegriffen gemerkt, über die Besucher auf mein Blog aufmerksam geworden sind. Ich hab mir daher erlaubt, hier mal ein kleines Portrait zusammenzuzimmern. 

Geschichte

Die heutige Irische Marine, offiziell Irish Naval Service, ging aus dem Marine & Coastwatching Service hervor, einer Organisation, die 1939 unter dem Eindruck des aufziehenden Krieges hastig aus der Taufe gehoben wurde, um dem jungen Irischen Staat zumindest eine grundlegende Seeverteidigungskomponente zu verschaffen. Mit 6 Torpedoschnellbooten, und 4 Hilfsschiffen war der Marine Service allerdings nicht einmal andeutungsweise gut genug ausgerüstet, um seine Aufgabe vernünftig erfüllen zu können, eine Tradition, die sich bis in unsere Tage hält. 
1946, nach dem Ende des 2. Weltkriegs, oder auch der "Emergency", wie er im neutralen Irland genannt wurde, wurde der Marine & Coastwatching Service zum Irish Naval Service umgewandelt, und zu einer vollwertigen Teilstreitkraft der Irish Defence Forces. Zeitgleich wurden auch 3 Korvetten der Flower-Klasse von der Royal Navy übernommen, die bis in die 1970er das Rückgrat der Flotte bilden würden. Dies wiederum ist kein Kunststück, denn diese 3 Schiffe waren während dieser Zeit auch die einzigen Schiffe der Flotte. Dies ging vor allem deshalb gut, weil es nur die klassische 12-Meilen-Zone zu patrouillieren gab, trotzdem wurden die Schiffe mit zunehmendem Alter immer unzuverlässiger, und zum Schluss war oftmals nur eines der drei Schiffe überhaupt in irgendeiner Form einsatzbereit. 
Ersatz musste her, und er kam auch, in Form von 3 Minenräumbooten der Ton-Klasse, die wiederum gebraucht von der Royal Navy übernommen wurden. Als diese Schiffe Anfang der 1970er Jahre in Dienst gestellt wurden, zeichnete sich jedoch schon ab, das sie nur eine Übergangslösung sein würden. Irland war kurz davor, eine 200-Meilen-Zone im Atlantik zugesprochen zu bekommen, eine Ausschließliche Wirtschaftszone. Diese musste kontrolliert werden. Das Verteidigungsministerium in Dublin beauftragte die Verolme-Werft in  Rushbrooke bei Cork daraufhin mit dem Entwurf und Bau eines Schiffstyps, der extra für diesen Einsatz gedacht war. Das Resultat war die LÉ Deirdre, das erste in Irland nach den Anforderungen der irischen Marine gebaute Kriegsschiff. Sie war ein Quantensprung gegenüber den kleinen Minenräumern, und so erfolgreich, das drei weitere Schiffe mit nur wenigen Verbesserungen gegenüber dem Originalentwurf geordert wurden. Diese 3 Schiffe wurden nach dem Führungsschiff als Emer-Klasse bekannt, und würden bis ins 21. Jahrhundert einen wichtigen Teil der Flotte bilden. 
Anfang der 1980er Jahre begannen die Planungen für eine neue Schiffsklasse, die deutlich größer und leistungsfähiger sein sollte, als die Emer-Klasse. Die Anforderungen des Verteidigungsministeriums sahen vor, das diese neuen Schiffe 30 Tage non-stop auf See bleiben sollte, und außerdem mit einem Bordhubschrauber ausgestattet werden sollten, um ihre Effektivität nochmals weiter zu steigern. Vier Schiffe dieser neuen Klasse waren geplant, die wiederum nach ihrem Führungsschiff als Eithne-Klasse bezeichnet werden sollte. Die wirtschaftliche Situation machte dem Verteidigungsministerium aber einen Strich durch die Rechnung, das Budget reichte nur für ein Schiff der Klasse aus. Als sich die Wirtschaft nach der Fertigstellung der LÉ Eithne wieder erholt hatte, war der Schaden schon angerichtet, und die Schiffswerft in Rushbrooke insolvent.
Trotz allem schien man sich in den späten 1980ern und 1990ern endlich der Bedeutung einer Marine bewusst geworden zu sein, denn das Muster aus Gebrauchtkäufen und Neubauten setzte sich fort, und bildete so die Marine, wie sie sich heute darstellt. Und auf den ersten Blick ist eben diese Marine Lichtjahre von der kleinen Flotte aus drei alten Korvetten entfernt, die in den 1970ern im Einsatz war. Trotzdem ist auch die aktuelle Flotte aus 7 aktiven Einheiten, und einem weiteren Schiff, das momentan in der Flottenerprobung ist, in keiner Weise ausreichend, um die Irland zugewiesene 200-Meilen-Zone auch nur andeutungsweise zu kontrollieren. Aufgrund der jahrzehntelangen Politik der Neutralität, die Irland seit den Zeiten Eamon de Valeras verfolgt, sind die Schiffe allesamt relativ leicht bewaffnet. Lenkflugkörper, oder Bordhubschrauber wird man in der Flotte vergeblich suchen.

Stützpunkt

Die Irische Marine operiert von einer einzigen Basis aus, die auch gleichzeitig das Flottenhauptquartier ist. Haulbowline Island, in der Bucht von Cork gelegen, ist seit dem 16. Jahrhundert eine Marinebasis. Ursprünglich von der Royal Navy errichtet, lagen die Anlagen der Basis zwischen der Unabhängigkeit Irlands 1922, und der Gründung des Naval Service 1946 brach. Auch heutzutage sind nur knapp 50% der Basis tatsächlich durch die Marine in Benutzung, die komplette östliche Hälfte ist eine Industriebrache, die nach mehreren Jahrzehnten Nutzung als Stahlwerk (Das einzige in Irland) erst einmal dekontaminiert werden muss. Aufgrund der langjährigen zurückhaltenden Militärpolitik Irlands sind ausgerechnet die sechs markanten Lagerhäuser, die Anfang der 1800er-Jahre von der Royal Navy errichtet wurden, dem Verfall preisgegeben.
Das Zentrale Hafenbecken der Marinebasis Haulbowline Island. Ebenfalls im Bild: Die Hälfte der Irischen Marine.
Diese typische 50er-Jahre-Architektur ist typisch für die Marinebasis Haulbowline Island.

Die Briten haben aber auch einiges an Gebäuden hinterlassen.
Hier sieht man die Mischung aus Gebäuden aus den 1950ern, den 1990ern,  und dem 18. Jahrhundert noch einmal im Detail.
Am Fähranleger auf Haulbowline Island. Nein, die Insel ist nicht öffentlich zugänglich, das war während des Tags der offenen Tür.
Panorama der Bucht von Cork. Haulbowline Island ist in der Bildmitte im Hintergrund zu sehen.
Dieses Bild steht exemplarisch für die komplette Osthälfte von Haulbowline Island.
Die alten Lagerhäuser aus dem 18. Jahrhundert stehen leider leer und sind dem Verfall freigegeben. Dabei könnten diese Gebäude genug Raum bieten, um fast die komplette Marineverwaltung dort unterzubringen.
Das soll jetzt aber nicht heißen, dass die ganze Basis derart dem Verfall preisgegeben ist. Die Teile der Insel, die durch die Irische Marine benutzt werden sind in gutem Zustand, die Gebäude gepflegt, ebenso wie die Außenanlagen. Das zentrale Becken, das noch von der Royal Navy errichtet wurde, ist ebenso noch in Verwendung, auch wenn das ehemalige Trockendock mittlerweile an einen Yachtclub übergeben wurde. Die Irische Marine nutzt die Trockendocks auf dem Gelände der alten Verolme-Werft, wo mittlerweile mehrere Firmen ansässig sind, die sich auf Schiffsreparaturen und Umbauten spezialisiert haben.
Auch die Ausbildung neuer Offiziere und Mannschaften findet de facto In-house statt. Grundlegende seemännische Kenntnisse, Navigation, Schadensbekämpfung, etc. werden in National Maritime College of Ireland übermittelt, in gemeinsamen Klassen mit zivilen Seeleuten, die Irlands einzige Seefahrtsschule, die nur wenige hundert Meter von der Basis entfernt liegt, besuchen. Für speziell militärische Bildungsinhalte geht es dann wieder zurück auf die Basis, wo Schießstände, etc. bereitstehen.
Von der Infrastruktur her ist die Basis auf Haulbowline Island also gar nicht schlecht. Der größte Nachteil der Basis ist jedoch seine Lage. Weniger wegen der Bucht von Cork, diese stellt ja einen hervorragenden natürlichen Hafen dar, sondern wegen seiner Position am südwestlichen Ende Irlands. Ein Großteil der potentiellen Patrouillengebiete kann erst erreicht werden, nachdem man Mizen Head, die Südwestspitze Irlands, ebenso wie Dursey Island, die Blasket Islands und die Skelligs umrundet hat, was gerade für die kleineren Einheiten der Flotte eine beträchtliche Einschränkung ihrer Patrouillenzeiten bedeutet. Andererseits macht es bei einer derart kleinen Flotte nun mal einfach keinen Sinn, einen 2. Stützpunkt an der Westküste zu bauen.

Die Flotte 

Wie bereits erwähnt, verfügt die Irische Marine momentan über sieben einsatzbereite Schiffe. Das Alter der Schiffe variiert dabei dramatisch. Während das älteste Schiff der Flotte, die LÉ Aisling (P23), mittlerweile 35 Jahre auf dem Buckel hat, ist die neueste im Einsatz befindliche Einheit, die LÉ Samuel Beckett (P61), gerade einmal etwas über ein Jahr alt. Alle Schiffe sind für ihre Einsätze als Patrouillenboote optimiert, wie oben erwähnt, wird man Lenkflugkörper und ähnliche Waffensysteme vergeblich suchen. Neben zwei Unikaten, der bereits erwähnten LÉ Aisling, und dem Flaggschiff LÉ Eithne (P31), besteht die Flotte aus zwei Schiffen der Peacock-Klasse, zwei Schiffen der deutlich größeren und moderneren Roisin-Klasse, und dem ersten Schiff der Samuel-Beckett-Klasse, die bis 2016 auf drei Schiffe anwachsen soll. Alle Schiffe der Flotte sind mittlerweile an ein Satellitenkommunikationssystem angebunden, das von der Irischen Firma Voyager IP in Wicklow angeboten, und über die Uplink-Station des irischen National Space Centre in Midleton, Co. Cork, betrieben wird.

Emer-Klasse

Aktive Einheiten: 1
Länge: 65,2 Meter
Tiefgang: 4,4 Meter
Verdrängung: 1020 Tonnen
Bewaffnung: 1x Bofors 40mm L70, 2x Rheinmetall RH202 20mm, 2x leichtes Maschinengewehr 7,62mm GPMG 

Die Linienführung der LÉ Aisling (P23) zeigt ganz klar ihr Alter.
Blick auf die Hauptwaffe der Aisling, das 40mm-Bofors-Geschütz. Sowohl das Kaliber, als auch die offene Geschützplattform sind für den Einsatz im Altantik nicht wirklich geeignet.

Die LÉ Aisling ist die letzte im Einsatz befindliche Einheit der Emer-Klasse, die ich weiter oben ja schon erwähnt hatte. Auch wenn sie nicht das kleinste Schiff der Flotte ist, diese "Ehre" gehört den Schiffen der Peacock-Klasse, so ist sie mit einer Länge von 65,2 Metern, einem Tiefgang von 4,4 Metern, und einer Verdrängung von knapp 1020 Tonnen alles andere als ein Riese. Sie ist außerdem die am leichtesten bewaffnete Einheit der Flotte, und ihr Hauptgeschütz, ein Bofors 40mm L70 Geschütz aus schwedischer Produktion, ist auf einer offenen Plattform auf dem Vorschiff verbaut. Wenn man bedenkt, das diese Schiffe gedacht waren, auf dem offenen Atlantik eingesetzt zu werden, dann werde ich den Gedanken nicht los, das diejenigen, die die Emer-Klasse entworfen haben, sadistisch veranlagt gewesen sein müssen. Nicht zuletzt auch aus diesem Grund wird die Aisling in absehbarer Zeit ausgemustert werden. Ihr Ersatz, die LÉ William Butler Yeats, befindet sich bereits in Bau.

Eithne-Klasse

Aktive Einheiten: 1
Länge: 85 Meter
Tiefgang 4,4 Meter
Verdrängung 1910 Tonnen
Bewaffnung: 1x Bofors 57mm Mk. 1, 2x Rheinmetall Rh202 20mm, 2x leichtes Maschinengewehr 7,62mm GPMG 
Flugdeck für leichte Hubschrauber
Das Flaggschiff der Flotte in Haulbowline Island.

Das Flugdeck und der Hangar werden mittlerweile als Frachttransportfläche genutzt. 
Die Eithne ist das einzige Schiff der Flotte mit einem Luftraumüberwachungsradar, einem Relikt aus der Zeit, als ein Hubschrauber an Bord eingesetzt wurde. 
Das 57mm Hofors Mk.1 Geschütz stellt immerhin eine Verbesserung gegenüber den offenen Geschützplattformen bei der Emer-Klasse dar.

Die LÉ Eithne ist mit 29 Jahren nur unwesentlich jünger als die Aisling. Allerdings ist das aktuelle Flaggschiff der Flotte mit 85 Metern Länge, 1910 Tonnen Verdrängung, und einem Tiefgang von 4,4 Metern deutlich größer. Auch wenn ihr Buggeschütz deutlich größer ist, als das der Emer-Klasse, so wurde die stärkste Waffe im Arsenal der Eithne, ihr Bordhubschrauber, Ende der 1990er-Jahre außer Dienst gestellt. Dadurch, dass kein Bordfliegerabteilung mehr untergebracht werden musste, wurde Platz frei für die Stabseinrichtungen, die bei einem Flaggschiff nun einmal notwendig sind. Der freigewordene Platz im Hangar, auf dem Flugdeck, sowie in den für Ersatzteile etc. vorgesehenen Lagerräumen, macht die Eithne zusätzlich zur 1. Wahl, wenn es um die Versorgung der Irischen Kontingente bei UN-Einsätzen, oder um humanitäre Einsätze geht. Dies ist auch der Grund, warum die LÉ Eithne das erste Irische Schiff war, das zur Unterstützung von Operation Triton ins Mittelmeer geschickt wurde. Ein Ersatz für die Eithne ist zwar in Planung, das White Paper des Irischen Verteidigungsministeriums für die Zeit von 2015-2025 sieht vor, das die Eithne durch eine Fregatte ersetzt werden soll, noch sind dazu aber keine Verträge unterschrieben.

Peacock-Klasse

Aktive Einheiten: 2
Länge: 62,6 Meter
Tiefgang: 2,72 Meter
Verdrängung: 712 Tonnen
Bewaffnung: 1x OTO Melara 76mm/62, 2x Rheinmetall RH202 20mm, 2x Schweres Maschinengewehr 12,7mm (.50 cal),  2x Leichtes Maschinengewehr 7,62 GPMG
Die LÉ Orla (P41) im Hafenbecken auf Haulbowline Island.
Und hier ist ihr Schwesterschiff LÉ Ciara (P42), das schnellste Schiff der Flotte.
Man merkt wie klein diese Schiffe sind, allein schon daran, wie groß der OTO-Melara-76mm-Geschützturm im Vergleich zum Rest des Schiffes ist.
Das lange offene Achterdeck der Peacocks bietet immerhin eine gute Arbeitsplattform 

Mit den beiden Einheiten der Peacock-Klasse, der LÉ Orla (P41), und LÉ Ciara (P42), wurde erstmals das italienische OTO Melara-Geschütz eingeführt, das mittlerweile zur Standardwaffe der Irischen Marine geworden ist. Beide Schiffe wurden gebraucht von der Royal Navy gekauft, die sie ursprünglich für den Einsatz beim 6. Schnellbootgeschwader in Hongkong gebaut hatte. Im Gegensatz zu den anderen Einheiten der Flotte sind die beiden Peacocks eher Sprinter, die zwar bis zu 30 Knoten erreichen können, aber eine eher geringe Ausdauer haben. Deshalb operieren diese beiden Schiffe eher in Küstennähe, und bleiben über Nacht meist im Hafen oder in geschützten Buchten. Das soll nicht heißen, dass diese Schiffe keine wichtige Rolle in der Irischen Marine zu spielen hätten. Gerade mit ihren Sprintfähigkeiten spielen sie bei Abfangoperationen immer wieder eine wichtige Rolle. Außerdem sind beide Schiffe für den Einsatz von Bergungstauchern ausgelegt, und verfügen als einzige Schiffe der Flotte über eine Dekompressionskammer. Aufgrund ihrer kurzen Reichweite und Verweildauer auf See sind sie für die Marine jedoch nur eingeschränkt nützlich. Deshalb, und aufgrund ihres Alters, beide Schiffe stießen 1988 zur Flotte, sieht das bereits erwähnte White Paper des Verteidigungsministeriums vor, diese Schiffe in den nächsten 10 Jahren durch zwei moderne Schiffe in ungefähr der gleichen Größenordnung zu ersetzen.

Róisín-Klasse

Aktive Einheiten: 2
Länge: 78,84 Meter
Tiefgang: 3,8 Meter
Verdrängung: 1500 Tonnen
Bewaffnung: 1x OTO Melara 76mm/62, 2x Rheinmetall RH202 20mm, 2x Schweres Maschinengewehr 12,7mm (.50 cal),  2x Leichtes Maschinengewehr 7,62 GPMG
Die LÉ Róisín (P51) am Customs House Quay in Cork.
Die LÉ Niamh (P52) am Ölpier auf Haulbowline Island. Sie ist momentan als Teil von EU NAVFOR MED im Mittelmeer im Einsatz.
Als mit der LÉ Róisín (P51) 1999 das erste Schiff einer komplett neuen Generation in Dienst gestellt wurde, stellte dies auch den Beginn einer neuen Ära dar. Anstatt, wie die Schiffe der Deirdre/Emer-Klasse nur auf die absoluten Minimalanforderungen zugeschnitten zu sein, waren die Róisín und ihr Schwesterschiff LÉ Niamh (P52) von Anfang an auf eine lange Verweildauer in schwerer See ausgelegt. Wie leistungsfähig diese Schiffe tatsächlich sind, konnten sie 2008 im Rahmen von Operation Seabight zeigen, als beide Schiffe der Klasse 280 Kilometer vor der Küste von West Cork unter schwierigen Wetterbedingungen die Yacht Dances with Waves aufbrachten, die 1,7 Tonnen an Kokain geladen hatte. Die Entermannschaften gingen bei Windstärke 7 und bis zu 7 Meter hohen Wellen an Bord der 18-Meter-Yacht. Bereits viel früher, nämlich 2002, hatte die LÉ Niamh als erstes Irisches Kriegsschiff einen Einsatz in Südostasien absolviert. Die Róisín wiederum war 2004 gefordert, als das kanadische U-Boot HMCS Chicoutimi 160 Kilometer vor der Küste von County Mayo in Brand geriet. Beim Versuch, dem U-Boot zu Hilfe zu kommen, wurde sie aufgrund der katastrophalen Wetterbedingungen aber so schwer beschädigt, das sie selbst umkehren und zum Stützpunkt zurückkehren musste. Dies ändert jedoch nichts and der Flexibilität dieser Schiffe, die auf absehbare Zeit noch das Rückgrat der Flotte bilden werden.

Samuel-Beckett-Klasse

Aktive Einheiten: 2
Länge: 90 Meter
Tiefgang: 3,8 Meter
Verdrängung: 1900 Tonnen
Bewaffnung: 1x OTO Melara 76mm/62, 2x Rheinmetall RH202 20mm, 2x Schweres Maschinengewehr 12,7mm (.50 cal),  2x Leichtes Maschinengewehr 7,62 GPMG




In den letzten Jahren vor dem katastrophalen Zusammenbruch der Irischen Wirtschaft begannen im Verteidigungsministerium die Planungen für einen Schiffstyp, der die alternde Emer-Klasse ersetzen sollte. In Anbetracht einer geplanten Lebensdauer von 30 Jahren, und den Bedingungen vor Ort im Atlantik wurde schnell klar, das die Schiffe deutlich größer werden müssten als ihre Vorgänger. Die Wahl fiel schließlich auf eine vergrößerte Version der Róisín-Klasse. Mit einer Länge von 90 Metern und einer Verdrängung von 1900 Tonnen würde die neue Schiffsklasse die größte werden, die jemals von der Irischen Marine eingesetzt wurde. Mitten in den tiefsten Niederungen der Wirtschaftskrise wurde 2010 der Bauauftrag für zuerst zwei Schiffe gegeben. Die Namensgebung bricht mit der bisherigen Tradition der Irischen Marine, ihre Schiffe nach Frauen aus der Irischen Mythologie zu benennen, und bedient sich bei irischen Autoren. Das erste Schiff der neuen Klasse, die LÉ Samuel Beckett (P61) wurde am 27. Mai 2014 in Dienst gestellt. Ihr Schwesterschiff, die LÉ James Joyce (P62) wurde nach einigen Verzögerungen Ende Juli 2015 von der Irischen Marine übernommen, und befindet sich momentan in der Flottenerprobung. Das dritte und letzte Schiff der Flotte, die LÉ William Butler Yeats (P63) ist momentan bei Appledore Shipbuilding in Bau, und sollte im Laufe des Jahres 2016 vom Stapel laufen. Mit dem letzten Namen schließt sich ein Kreis, war doch die Überführung der sterblichen Überreste des Nobelpreisträgers durch die Korvette LÉ Macha der erste Auslandseinsatz der neu gegründeten Irischen Marine.
Die Samuel-Beckett-Klasse ist aber nicht nur aufgrund der Namensgebung besonders. Die Schiffe sind von Anfang an auf Zuwachs gebaut. Ihr Achterdeck ist groß genug, um Standard-Container aufzunehmen, und sowohl an Deck als auch Unterdeck ist genug Platz zur Verfügung, um Drohnen oder Unterwasser-Roboter an Bord zu nehmen, sollte man in Dublin entscheiden, dass solche Systeme für die Marine angeschafft werden sollen.

Aktuelle Einsätze

Aufgrund ihrer geringen Flottenstärke ist die Irische Marine nur eingeschränkt in der Lage, Auslandseinsätze zu absolvieren. In aller Regel beschränken sich die Auslandseinsätze daher auf Freundschaftsbesuche im Rahmen der regulären Patrouillenfahrten. Die große Ausnahme bildet Hier jedoch EU NAVFOR MED, die EU-Mission zur Bekämpfung des Menschenschmuggels im Mittelmeer. Die Irische Beteiligung an dieser Mission begann am 16. Mai 2015, als die LÉ Eithne von Haulbowline aus Kurs auf das Mittelmeer nahm. Nach knapp zwei Monaten, in denen das Flaggschiff der Irischen Marine insgesamt 3377 Menschen aus dem Mittelmeer fischte, wurde sie auf ihrer Station von der LÉ Niamh abgelöst. Es war das erste mal in der Geschichte der Irischen Marine, das eine derartige Ablösung außerhalb der Irischen Hoheitsgewässer, oder der 200-Meilen-Zone stattfand.
Die momentane Planung sieht vor, das die LÉ Niamh Anfang Oktober nach Haulbowline Island zurückkehrt, da das Wetter im Mittelmeer ab dem Zeitpunkt zu schlecht geworden sein dürfte, um weitere Überfahrten von Flüchtlingen unmöglich zu machen. Für den Fall, dass sich dieses schlechte Wetter verzögert, hat die Marineführung jedoch Pläne vorbereitet, die LÉ Samuel Beckett zur Ablösung der Niamh ins Mittelmeer zu schicken.

Die Zukunft

Die Zukunft der Irischen Marine ist, wie die der ganzen Irischen Streitkräfte, eng mit der Wirtschaftlichen Situation Irlands verbunden, und mit der Frage. ob die Regierung in Dublin das Rückgrat hat, den Forderungen der zig verschiedenen Interessensverbände in diesem Land zu widerstehen, und die Streitkräfte finanziell so auszustatten, das sie ihre Aufgabe auch tatsächlich wahrnehmen können.
Ein erster Schritt ist gemacht, nicht nur, dass die Option auf ein drittes Schiff der Samuel-Beckett-Klasse wahrgenommen wurde, das White Paper der Verteidigungsministerium hat die Anschaffung von drei weiteren Schiffen, einem Mehrzweckschiff in Fregattengröße, und zwei kleineren Küstenpatrouillenschiffen fest in der Verteidigungsplanung für die nächsten 10 Jahre verankert. Das die Irische Marine also eine Rundumerneuerung bekommt ist klar. Ebenso klar ist, das die brachliegenden Flächen auf Haulbowline Island nicht nur saniert werden, sondern auch teils in die Marinebasis integriert werden. Der Rest der Insel wird zu einer Parklandschaft umgestaltet, als Teil eines millionenschweren Investitionsprogramms zur besseren touristischen Erschließung der Bucht von Cork.
So soll Haulbowline Island aussehen, wenn ein Investitionsprojekt in Höhe von  60 Millionen Euro abgeschlossen ist.
Trotzdem bleiben noch einige riesige Hürden. Eine ist die Flottenstärke. Wenn Ende 2016 der Ersatz der Emer-Klasse abgeschlossen ist, und alle drei Schiffe der Beckett-Klasse im Einsatz sind, wird die Flotte wieder aus 8 Schiffen bestehen. In Anbetracht der Größe der von Irland zu kontrollierenden Gewässer, und der Tatsache, das dem Irish Air Corps nur zwei Seeaufklärungsflugzeuge zur Verfügung stehen, ist dies nach wie vor viel zu wenig. Außerdem gibt es momentan keine Möglichkeit für die Irische Marine, ihre Schiffe auf See zu versorgen, unabhängig ob es im Atlantik ist, oder bei Außeneinsätzen wie im Mittelmeer. Die Vergrößerung der Flotte, und der Ankauf mindestens eines kleinen Flottenversorgers sollte also auf jeden Fall eingeplant werden, wenn Irland seine Seegrenzen in Zukunft effektiv schützen möchte. In Anbetracht der vor Irland vermuteten Öl-, und Gasvorkommen wäre ein derartiger effektiver Schutz dringend angebracht.

Update, 3. September 2015

Da sieht man mal, wie schnell sich die Sachlage weiter entwickelt. Der Artikel oben ist mittlerweile in zwei Punkten veraltet. Das 2. Schiff der Samuel-Beckett-Klasse, die LÉ James Joyce (P62) wurde am 1.9.2015 im Rahmen einer Zeremonie im Hafen von Dun Laoghaire in Dienst gestellt, bei der auch Taoiseach Enda Kenny anwesend war. Einen Tag später wurde bekannt, dass die Samuel Beckett in der Tat ins Mittelmeer entsandt wird, um dort die LÉ Niamh abzulösen. Der Einsatz der Beckett wird voraussichtlich im November enden, und sie sollte rechtzeitig bevor das Wetter im Atlantik richtig übel wird wieder in Haulbowline eintreffen.

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